Berichte
Unvergessliches Erlebnis Vancouver
Paralympics 2010
Vor nicht mal drei Wochen bin ich mit einer riesigen Portion Unsicherheit zu meinen ersten paralympischen Winterspielen nach Vancouver in Canada aufgebrochen. Hinter
uns lag eine anstrengende und intensive Vorbereitung, welche jeden Tag neue Schwierigkeiten bereitgehalten hatte.
Trotz eines gelungenen Abschlusstrainingslagers in Italien, konnte ich meine persönliche Leistungsfähigkeit eher schlecht einschätzen. Aber wir waren uns sicher, dass ich alles menschenmögliche
probiert hatte und mir selbst keine Vorwürfe machen musste.
Die Reise, sowie die Zeitumstellung verliefen ohne Probleme. Das olympische Dorf empfing uns freundlich und ich fühlte mich in meinem Zimmer sofort wohl. Das Dorf war kleiner als in Peking, aber
dafür auch gemütlicher. Die Wettkampfstrecken waren in einem tadellosen Zustand und auch die gesamte Organisation war ausgezeichnet. Die ersten Tage verliefen sehr entspannt und so freute ich
mich sehr auf die Wettkämpfe.
Mit dem ersten Bewerb stand der Biathlon-Sprint auf dem Programm. Da ich mein Schießen zwar von der Trefferquote verbessert hatte aber noch immer sehr langsam schoss, hatte ich kein großen
Erwartungen.
Ich schoss in der Qualifikation recht gut und erreichte mit der Laufleistung das Finale der besten Sechs. Im Finale konnte ich die Platzierung nicht mehr verbessern, war aber mit meinem
Abschneiden sehr zufrieden. Insbesondere die vielen Zuschauer und die tolle Stimmung waren ein echtes Erlebnis.
Am nächsten Tag stand schon der 10 Kilometer Langlauf an. Dieser Bewerb war in der gesamten Saison noch zu lang für mich gewesen und ich hatte hier den größten Zeitrückstand. Ich ging das Rennen
zwar engagiert an, verlor aber in den Abfahrten und an den technischen Passagen viel Zeit. Leider konnte ich die guten Anfangsplatzierungen nicht halten und beendete das Rennen als Achte. Mit der
Platzierung war ich nicht zufrieden, aber der Zeitrückstand zur besten Biathletin war der geringste in der ganzen Saison.
Dies machte mir Hoffnung für meinen wichtigsten Wettkampf, den 10 Kilometer Biathlon. Dabei wird 4 mal geschossen, wobei es für jeden Fehlschuss eine Minute Strafzeit gibt. Mit einem guten
Schießen, hatte ich in diesem Rennen eine kleine Medaillenchance.
Ich ging das Rennen verhalten an, um das erste Schießen sicher zu absolvieren. Ich schoss zwar langsam, aber ohne Fehler und hatte dadurch sofort eine gute Platzierung. Meine Konkurrentinnen
hatten bereits erste Fehler und so ging ich mit Sicherheit ins zweite Schießen. Den ersten Schuss musste ich abbrechen und setzte mich dann etwas unter Druck. Die Folge war ein Fehler, aber die
anderen vier Treffer konnte ich landen.
Beim dritten Schießen traf ich die ersten vier Schuss und ärgerte mich über den Fehler beim letzten Schuss. Hier war ich sicher schon mit den Gedanken auf der Strecke.
Auf der Runde gab es den Hinweis, dass eine fehlerfreies Schießen eine Medaille bringt und so schoss ich die letzte Serie mit Präzision. Ich nahm mir die Zeit den letzten Schuss noch einmal neu
anzusetzen und konnte mit fünf Treffern auf meine letzte Runde.
Auf dieser Runde gab ich alles und lief als Dritte ins Ziel. Da aber noch Läuferinnen nach mir kamen, glaubte ich eine Medaille verpasst zu haben. Doch dann kamen die ersten Gratulanten und ich
war super glücklich. In einer so anspruchsvollen Disziplin wie dem Biathlon in so kurzer Zeit eine solche Leistung zu bringen ist unbeschreiblich.
Der verdiente Lohn war die Medaillenzeremonie auf der Medal Plaza in Whistler. Ein unglaubliches Erlebnis auf einer solchen Bühne vor so vielen begeisterten Fans geehrt zu werden.
Am Abend folgte noch ein Besuch im Deutschen Haus und bei der Pressekonferenz.
Das Rennen über 5 Kilometer am nächsten Tag ging ich völlig entspannt an. Ich hatte auf dieser Distanz bisher gute Ergebnisse, aber in Vancouver rechnete ich mir allenfalls ein gute Platzierung
aus. Es war sehr gutes Wetter und die Strecke sehr schnell. Endlich konnte ich mich technisch besser präsentieren, da jedes Rennen etwas mehr Übung bedeutete. Ich hatte vor allem die Rennen der
Männer analysiert, um mir ein paar Tricks abzuschauen. Mit dem Wahnsinnsmaterial, welches ich wieder unter dem Schlitten hatte, ging das Rennen wie von selbst. Mir wurden nur vorderste
Platzierungen durchgegeben und ich konnte dies gar nicht recht glauben. Am letzten Anstieg sagte ein Trainer, dass ich eine Medaille erringen kann und ich gab noch mal alles. Da ich als erste
gestartet war, begann im Ziel das lange Warten. Eine nach der Anderen kam mit einer schlechteren Zeit herein und nur Ljudmilla Vouchok war am Ende schneller. Ich hatte eine nicht für möglich
gehaltene Silbermedaille über 5 Kilometer errungen. Noch einmal die Atmosphäre der Plaza, noch mehr Jubel..es war wie im Traum.
Einen kleinen Rückschlag musste ich im letzten Wettbewerb hinnehmen. Der Langlauf-Sprint hatte in der Saison die besten Ergebnisse für mich gebracht und ich hoffte das Finale zu erreichen. Die
Qualifikation lief mit Platz drei noch sehr gut, allerdings fühlte ich mich nicht so gut auf der Strecke. Da ich im Halbfinale bereits mit Francesca und Ljudmilla zwei Topfavoriten im Lauf hatte,
war dies bereits mein persönlicher Endlauf. Leider machte ich ein paar kleine taktische Fehler und lief auf der ersten Geraden die schlechteste Spur. Den Rückstand konnte ich auf der Zielgeraden
trotz guter Spur nicht mehr aufholen und so schied ich knapp aus. Das Rennen hatte aber mit Francesca ein würdige Siegerin, welcher ich die Goldmedaille von Herzen gönne. An den verschiedenen
Siegerinnen in den Bewerben kann man erkennen, dass das Zeitsystem im Wintersport recht ausgereift ist und jedem Siegchancen einräumt. Aber am Bemerkenswertesten ist doch die Leistung der
hochgelähmten Frauen, da der Schlitten wirklich nicht einfach zu beherrschen ist.
Die Winterspiele gingen mit einer tollen Abschlussveranstaltung zu Ende und ich reiste überglücklich nach Deutschland zurück. Meine neue Planung enthält die Winterparalympics in Socchi als
absolutes Highlight, auf welches ich mich langfristig und professionell vorbereiten möchte.
Alaska Ultra (Rain) Challenge
Die 25. Auflage der Alaska Challenge war für alle Teilnehmer eine echte Herausforderung. Von den 8 Etappen mussten 6 im strömenden Regen absolviert werden. Lediglich die 7. Etappe fand bei schönem Wetter statt.
Ich bestritt dieses Rennen als Vorbereitung auf die Weltmeisterschaften im September in Italien. Aufgrund der katastrophalen Witterungsbedingungen verzichtete ich auf extreme Belastungen und legte die gesamte Strecke als Trainingsfahrt zurück.
Die Strecke führte durch landschaftlich reizvolle Gegenden, allerdings blieb bei den zum Teil herrschenden Starkregen kaum ein Blick hierfür übrig. Die extremen Wetterbedingungen im Zusammenspiel mit der anspruchsvollen Logistik ließen dieses Rennen für alle Teilnehmer zu einer mentalen Belastungsprobe werden.
In allen Rennen wurden tolle Leistungen gezeigt. Besonders erwähnenswert ist Leon der Tetraplegiker, welcher ebenfalls die gesamte Strecke bewältigte.
Leider wurde das Rennen für die deutschen Teilnehmer vom schweren Sturz Norberts (Mosandl) überschattet, welcher sich aber zum Glück bereits wieder auf dem Weg der Besserung befindet.
Einen herzlichen Dank noch einmal an Göran Fiedler, welcher weit mehr als ein „Volunteer“ für Norbert leistete!
2008
September
GOLD in Peking!
Überglücklich mit der errungenen Medaille, aber leider auch sehr krank, bin ich aus Peking zurückgekehrt. Ich danke allen Freunden, Unterstützern und Ausrüstern, welche mich auf diesem langen Weg
begleitet haben und diesen einmaligen Erfolg ermöglichten.
Mein persönlicher Bericht. Der Flug nach China war anstrengend, aber das sind so lange Flüge ja immer. Nach der Ankunft hatte ich einige Akklimatisierungsprobleme, welche aber bei den ersten
Ausfahrten ums Vogelnest schnell in Vergessenheit gerieten. Eine erste Streckenbesichtigung verlief zu meiner Zufriedenheit, da die Strecke anspruchsvoll und äußerst interessant war.
Alles schien für mich gut zu laufen, lediglich beim Atmen hatte ich bei Belastung Probleme.
Vor dem Zeitfahren war ich entspannt und ruhig und ging das Rennen nach Marschroute an. Ich konnte schon am ersten heftigen Anstieg einen Zeitvorteil herausfahren und wollte erst nach diesem Anstieg
voll einsteigen. Allerdings gelang mir dies nicht, im Gegenteil ich bekam immer stärkere Probleme. Nach 7 km wurden die Schwierigkeiten immer massiver, ich hatte große Probleme zu atmen und hatte
wahnsinnige Schmerzen im Hals (als hätte mich eine Biene mitten in den Hals gestochen). Ich zwang mich zur Ruhe und zu kleinen Gängen, um wenigstens irgendein Ergebnis abzuliefern. Mir war klar, dass
es nicht für eine Medaille reichen würde. Nachdem ich völlig erschöpft das Ziel erreicht hatte, stellte unsere Teamärztin einen schweren Asthmaanfall (ich hatte in meinen ganzen Leben nie Asthma)
fest. Sie schickte mich direkt zurück ins Dorf, zur weiteren Behandlung. Da sich der Zustand der Bronchien bis zum Dorf und auch im Laufe des Tages nicht besserte, wurde mir ein Startverbot für das
Strassenrennen erteilt. Die gesundheitlichen Risiken wären nicht tragbar. Nach all der Vorbereitung, den Entbehrungen, dem Misserfolg im Zeitfahren (meiner Lieblingsdisziplin) zerplatzten alle Träume
wie Seifenblasen. Ich war wahnsinnig enttäuscht und traurig. Ein weiteres Vorsprechen vor dem gesamten Ärzteteam, einschließlich Bundestrainer, erbrachte einen Entscheidungsaufschub auf den nächsten
Tag. Am Morgen des Strassenrennens stand ich sehr früh auf und ging zum Frühstück. Das Wetter war gegen alle Vorhersagen kühler und ich fühlte mich einigermaßen fit. Die Ärzte erlaubten mir einen
Start, wobei ich bei Problemen sofort anhalten sollte (ein Notfallkid wurde dem internationalen Begleitarzt übergeben). Ich fühlte mich sicher und entspannt. Ich durfte fahren und hoffte insgeheim
noch immer auf eine Medaille. Nach dem Start des Rennens griff Monique (van der Vorst) direkt am ersten Berg an und lediglich ich konnte ihr folgen. Allerdings mit einer unmenschlichen Herzfrequenz,
ich beschloss nicht mehr auf meinen Polarmesser zu schauen. Dorothee (Vieth) konnte in den Flachpassagen wieder auf uns aufschließen, allerdings war dies Monique gar nicht recht. Sie griff sofort
wieder an und riss ein Loch. Dieses Spiel wiederholte sich mehrfach. In der letzten Runde hatten wir einen Vorsprung von ca. 20 Sekunden. Dorothee konnte das Loch nicht mehr zufahren und es kam zu
einer Sprintentscheidung. Monique griff in der letzten 180 Grad Kurve an, da sie eine bessere Kurvenfahrerin ist. Ich konnte allerdings schnell wieder aufschließen und setzte meine ganze Kraft und
meinen ganzen Willen in die letzten 150 Meter. GOLD!
Auch am Tag des Strassenrennens hatte ich im Ziel Schwierigkeiten zu sprechen und zu atmen.
Leider ging ich am nächsten Tag noch einmal ins Stadion, um die Jungs anzufeuern. Kurz vor dem Verlassen der Wettkampfstätte erlitt ich dann einen massiven allergischen Schock, welcher sofort
notärztlich behandelt werden musste. Mir schwollen alle Schleimhäute des Körpers zu und ich hatte große Angst. Ich wurde in das Internationale Krankenhaus von Peking eingeliefert und behandelt.
Leider bekam ich dort noch eine Virusinfektion (Kehlkopf), welche noch immer nicht völlig überstanden ist. Ich verbrachte die letzten Tage im Krankenhaus von Peking und wurde per Krankenrücktransport
nach Deutschland zurück geflogen.
Ich möchte mich ausdrücklich bei allen Teamärzten bedanken, welche mich die ganze Zeit betreut haben. Außerdem ein Dankeschön an das gesamte Paracyling-Team für die Unterstützung in den schweren
Stunden. Mein besonderer Dank gilt den Volunteers: Fang, Wang, Alex und Bolan, welche abwechselnd an meinem Bett gewacht haben und mir die Kommunikation mit dem Krankenhauspersonal ermöglicht haben.
Ein weiterer Dank gilt den Krankenschwestern und Ärzten des Krankenhauses, die auch die "Maus" erstklassig versorgt haben.
Insgesamt waren die Paralympics für mich das größte sportliche Ereignis, an welchem ich teilnehmen durfte. Die Atmosphäre, die Organisation, der Zuschaueransturm, alles war gigantisch und bewegend.
Dieses Erlebnis, mit all seinen Höhen und Tiefen, möchte ich nicht missen!